Eine neue Marketingkategorie: Strainer (der Sieb)
Die BCG-Matrix kann jetzt, nach 36 Jahren, endlich revidiert werden.
Umbruchzeiten sind oft Abschiedzeiten. Wie wir früher z.B. vom Pferdegespann Abschied nehmen mussten, wird die nächste Generation keine mentalen Ideen mehr von einer Telefonzelle, einem Briefkasten sowie vom gesellschaftlicher Dienst haben, also von den Begriffen, womit ältere Generation groß geworden ist und die ihr so vertraut waren.
Wie kann man eigentlich bestehende Produkte, womit jetzt noch Gewinn gemacht wird, die aber innerhalb kurzer Zeit verdrängt werden, nennen, erkennen sowie in der bunten Marketinglandschaft klassifizieren ? Hier finden Sie einen Vorschlag dazu.
Boston Consulting Gruppe
In 2014 geht der technologische Fortschritt sehr schnell, sodass die Denkweise wie in der BCG-Matrix mit vier Ecken vorgeschrieben, einer Ergänzung bedarf.
Warum ist BCG-Matrix so ein nützliches Werkzeug geworden ? Die Matrix verteilt das Produktportfolio eines Unternehmens übersichtlich je nach einem potentiellen Marktwachstum und relativen Marktanteil. Tatsächlich werden in der Matrix das Verdienstmöglichkeiten (N/G) und Wettbewerbskraft (N/G) in Verbindung gebracht. Anschließend sagt sie, was man mit jedem Produkt tun müsste. Dem Star mit seinem hohen Marktanteil fügt man in einem schnell wachsenden Markt neue Funktionalitäten hinzu. Cash Cows werden ausgemolken, weil sie schon einen bedeutenden Marktanteil in einem erwachsenen Markt aufweisen. Dogs (niedriger Wachstum, niedriger Marktanteil) bringt man so schnell möglich zum Tierasyl, und mit Fragezeichen (niedriger Anteil aber hohe Wachstumsmöglichkeiten) macht man alles, was Gott verboten hat.
Was ist die BCG-Matrix überhaupt ?
Fragezeichen, auch Problemkinder oder Wildkatzen genannt, haben einen kleinen relativen Marktanteil in einem wachsenden Markt. Es ist noch unsicher, ob diese später Star oder Dog werden. Star hat einen großen Marktanteil in einem wachsenden Markt. Mit gerichteten Investitionen muss man Vorsprung behalten, bis der Markt erwachsen ist und Fragezeichen Cash Cow wird. Cash Cow hat einen hohen Marktanteil in einem stabilen erwachsenen Markt. Die erzielten Erträge werden für die Investitionen in andere Produkte verwendet. Dog verfügt über einen kleinen Anteil in einem erwachsenen Markt. Wenn es keine deutlichen strategischen Interessen dahinter stecken, kann man das Portfolio hier bereinigen.
Abb. 1 : BCG-Matrix 1.0.
Was macht man mit der Matrix?
Die Produktentwicklung verläuft idealerweise Vom fragezeichen via Star Richtung Cash Cow. Manche Produkte kommen nicht weiter als Fragezeichen und werden anschließend ein Dog. Für die betreffenden Unternehmen wäre das eine kostspielige Angelegenheit. Im besten Fall liefert es später Geld, das in ein neues Fragezeichen investiert wird.
Frageziechen : Penetrationsstrategie
Star : Abschöpfungsstrategie
Cash Cow: Erntestrategie
Dog : Desinvestitionsstrategie
Strainer (der Sieb)
Der implizite Gedanke hinter der Matrix war bisher als folgt: solange man Umsatz hat, tut man es gut. Wenn es nicht der Fall ist, bist du ein Dog. Aber das Produkt ist erst dann tot, wenn daran nichts mehr verdient wird, würde der Kaufmann denken. Und wenn kein Gewinn mehr erzielt wird? Und die zwei Paradepferde: Cash Cows und Stars lassen außerdem noch vermuten, dass man durch ihre hohen Marktanteile trotzdem Erfolg hat.
Der Gewinn kann aber in der Zwischenzeit schon weg sein… Es kann sein, dass ein alter Produktionsautomat zu einem übertrieben hohen Preis ersetzt werden muss. Oder wenn es z.B. staatliche Reglungen gibt, die die variablen Unternehmenskosten steigern. Oder, was man heutzutage auch nicht selten beobachtet, dass man oft gezwungen die Preise herabsetzen muss, weil die Wettbewerber eine ähnliche Funktionalität viel günstiger oder in besserer Qualität liefern können. Kommt Ihnen bekannt vor, nicht wahr ? Daneben hofft man, mit dieser veralteten Technologie noch einen Star oder Cash Cow in Händen zu haben, aber der Gewinn fließt in der Zwischenzeit schnell wie durch den Sieb weg … Und nicht zu vergessen, ein Produkt kann so einfach „out“ sein, ohne deutliche Gründe. Hypes, zum Beispiel, die kommen und gehen.
Es sind alte bekannte Beispiele. Dampflokomotive und Zugkraft, Pferdebahn und Auto, Telex und Telefon, Grammofonplatten und CD. Fax und Mail. Briefpost und Mail. CD-i und CD-Rom, V2000 und Betamax. Aber in den letzten Jahren häuften sich viele andere Beispiele darauf. Klassische Telefonie und VOIP, Glühbirne und Sparlampe oder LED. GSM und UMTS und WIMAX. Nintendo DS und Nintendo Wii. Die erste Technologie in der Reihe funktioniert eigentlich noch gut, ist aber nicht mehr modern. Die wirtschaftliche Lebensdauer ist kürzer als die technologische, eine Situation, die von der BCG-Matrix nicht berücksichtigt wird.
Sobald man feststellt, dass die technologische und wirtschaftliche Lebensdauer auseinander gehen, gilt die ursprüngliche BCG- Matrix nicht mehr.
BCG 2.0 | Technologie
|
||
veraltet | modern | ||
Funktionalität der Technologie | modern | Strainer | Dafür gilt die BCG-Matrix 1.0 |
veraltet | Dog gemäß BCG (Funktionalität ist veraltet) |
Euthanasie : Rost
Das Tempo der technologischen Veränderungen wird immer höher. Nehmen Sie die audiovisuelle Branche als Beispiel. Äußerst langsam erreichte die Penetration der Videogeräte Mitte der 80er Jahre ca. 70%, die von Youtube in einem Jahr überholt worden ist. Oder Fotografie als Beispiel. Nach der Erfindung dauerte es noch 70 Jahre bevor gewöhnliche Menschen ein Analoggerät kaufen konnten. Agfa und Kodak bauten überall in der Welt große effiziente Entwicklungszentren für ihre Cash Cows – analogen Fotorollen -als die digitale Revolution ausbrachte und in mordendem Tempo vernichtende Effekte für die ganze Branche verursachte. Die alten traditionellen Fotounternehmen dachten Lottogewinn in ihren Händen zu haben, der in Wirklichkeit Strainer war, der innerhalb einiger Sekunden leer war. Ihre Cash Cows (oder das, wovon sie dachten, dass es Cash Cows waren) schienen leider Strainer zu sein – Englisch für Sieb. Ein Produkt, das jetzt noch Umsätze dank einem hohen Marktanteil bringt, wovon die Gewinnspanne aber an allen Seiten platzt.
Noch Strainer- Beispiel ? Die Kohlenzentralen, die zur Zeit noch gebaut werden und die- was man hofft- noch 40 Jahre lang in Betrieb sein werden. Wenn man schaut, wie schnell die Energieversorgung zur Zeit auf dezentrale Spur umgestellt wird: denken Sie dabei an die Sonnenzellen oder Wasserstoffzentrale in der Garage, vermute ich, dass die Kohlenzentralen innerhalb kurzer Zeit durch schnelle technologische Entwicklungen auf dem Gebiet zu Strainer werden. Schauen Sie mal, was mit Free Record Shop als CD-und Videogeschäft passiert ist. Analysieren Sie als Unternehmer kritisch Ihr Produktportfolio ! Altmodische Telefonie, plan old telephone service (pots). Den Markt dafür gibt es immer noch, aber dessen Umfang und Tarife nehmen schnell ab. Cash Cow lässt sich das kaum mehr nennen, weil Investitionen in weitere Preissenkungen praktisch nichts mehr bringen. Andererseits ist es auch kein kranker Dog, den man einschlafen lassen müsste, weil es immer noch gewinnbringend ist… Wenn man ehrlich ist, dann weiß man ein Ding sicher.. In ein paar Jahren gibt es keine Pots mehr. Wird jedermann dann mit VoIP oder etwas ähnlichem anrufen, wobei Voice-Transport viel schneller erfolgt? SMS wird von WhatsApp ersetzt. Ist traditionelle Zeitung auch ein Strainer ? Was finden Sie ? Sehr schnell wissen wir das.
Was macht man denn ? Denken Sie vor allem nicht mehr eckenweise, wie es nach der Strainer-Theorie ist. Machen Sie keinen Gewinn mit Ihrem Fragezeichen, erwarten Sie aber, dass das in der Zukunft möglich wäre ? Investieren Sie nicht blind in lukrative Märkte. Schauen Sie sich um ! Es könnte ein Strainer sein, ein Produkt , das in Kürze schnell weggefegt wird. Das passierte (beinahe) mit Nokia.
Museum
Investieren Sie wie Kodak in höhere Effizienz und schlaue Lösungen in der analogen Foto-Entwicklung, weil Sie annehmen, dass Abnehmer für diese Cashflow bezahlen wollen? Bauen Sie als Flughafen ein zusätzliches Terminal für die schnelle Abwicklung der immer populären Flüge nach Paris? Es könnte auch ein Strainer werden, sobald es einen Intercity-Züge auf der gleichen Strecke gibt. Die Zeit kommt, und oft auch schneller als man wissen könnte.
Nicht jeder ist bereit, die „eigene Sterblichkeit“ als Tatsache einzusehen. Sind Sie als Unternehmen beteiligt an den Skaleneffekten in der Branche und implementieren Sie immer neue Managementlagen sowie starre ERP-Systeme, weil Sie denken, dass man auf diese Weise die Krankenpflege bezahlbar macht? Nein, die Zeit ist inzwischen schon angebrochen. Ihre Arbeitnehmer laufen weg, weil sie in Ihrem Unternehmen unterbewertet werden und melden sich massenweise als Selbstständige bei kleinen Unternehmen, die 40 % billiger arbeiten und mehr zufriedene Kunden haben.
Und denken Sie als Lieferant von Telex-ein Dog, der von Telefon, Fax und Mail- schon lange überholt ist -doch noch nützlich zu sein, weil bestimmte offizielle Dokumente nur per Telex erkannt werden? Der Tag wird sicher kommen, woran der Preis so niedrig gesunken ist, dass es sich wirklich nicht mehr lohnt.
Ein Softwareunternehmen hat dafür einen digitalen Dienst entwickel. Dadurch kann der Telex definitiv ins Museum.
Sterblich
Das BCG-Rezept bedarf einer Ergänzung. Und was jetzt? Man müsste auch die Exit-Strategien gut organisieren und diese in den Marketing integrieren. Als erstes gilt hier organisatorische Seite. In vielen technologisch angetriebenen Unternehmen wie Nintendo, Philips, Kodak, findet man esimmer noch normal, dass Strainer immer noch mit Neuigkeiten konkurrieren. Sie vermuten nicht, dass es sich hier um Strainer handelt. In isolierten Betriebseinheiten arbeiten Menschen mit autonomen Teil-Zielsetzungen an ihren eigenen Question marks, Stars und Cash Cows. Sie denken, dass diese nämlich sehr wichtig sind. Unsterblich. Der eine liefert Bargeld, der andere Zukunftspläne.
Aber die erste Technologie ist es nicht mehr, und die zweite noch nicht. Hat jemand im Unternehmensrat vielleicht einen Plan griffbereit, um aus einer alten Technologie in eine neue Technologie umsteigen zu können? Hat er Mut, um eine junge Question Mark abzuschreiben, weil er denkt dass es ein Strainer ist.. Hat er Mut, um eine Cash Cow wie ein Star zu behandeln, um nicht weiter zu säen und die Erntezeit auf einen früheren Zeitpunkt zu verschieben?
Vielleicht wäre es besser, um um den Strainer herum eine Hecke zu bauen, um danach als B-Marke abzubauen. Oder was noch besser wäre; um es gleich zu eliminieren. Will niemand die Antike haben? Dann müsste man als Unternehmer unterschiedliche PLC-Stadien innerhalb eines Unternehmens managen können. Dazu werden die alte und die neue Welt unter ein Dach gebracht. Das zwingt Menschen unternehmensbreit eng zusammenzuarbeiten. Eine Personalabteilung, eine gemeinsame Marketingorganisation, gemeinsame Ziele und Interessen. Was lernt man vom Strainer? Die Entdeckung einer Strainers im Unternehmen ist also Erkennung eigener Sterblichkeit. Der alten BCG-Matrix lag noch eine alte kapitalistische Wachstumsideologie zugrunde, die seit 2009 bis heute langsam zu Ende gekommen ist. Akzeptieren Sie den Strainer. Erkennen sie die Welt und sich selbst als sterblich.
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