Das Unternehmen von morgen:
Kontinuität durch Flexibilität
Im Nachhinein scheint jede Idee logisch, aber um dorthin zu gelangen muss man die Denkrichtung ändern De Bono
In den Umbruchzeiten wie jetzt stellen wir uns oft die Fragen: was passiert um uns herum? Harvard Business Manager beschäftigt sich auch aktiv mit dem Thema (z. B. „Flexibel zum Ziel“ von A. Edmondson) Warum passiert das? Und wie müssen wir darauf reagieren? In meinem Essay: Middle Ages in the Internet-era präsentiere ich überraschende Parallele zwischen unserer Zeit und dem Mittelalter, wobei das Internet mit den Marktplätzen früherer Jahrhunderte verglichen wird. Das Digitalzeitalter eröffnet Unternehmen neue Perspektiven, das ganze Wirtschaftsleben ist jetzt vernetzt. Eine moderne Variante der Gilden aus dem Mittelalter. Die Pest taucht wieder – diesmal in einer modernen Variante-auf, die Viren verbreiten sich mit hoher Geschwindigkeit, wobei die Abwehrprogramme immer einen Schritt zu spät sind. Den digitalen Pranger gibt es auch: jeder kann jeden (also auch jedes Unternehmen) anschwärzen oder sogar schuldig sprechen. Das bedeutet, alte Fragen kommen zurück, alte Fragen, die jedoch zeitgemäß beantwortet werden müssen. Welche Entscheidungen werden wir als Bürger treffen? Und wie gehen Unternehmen damit um ? Bietet diese Mittelalter-Metapher auch ein Tool für Wirtschaftsleben, um andererseits Entwicklungen besser zu begreifen sowie diese in die Strategie und Organisation mitzunehmen?
Was bedeutet es für Unternehmen, wenn wir diese Metapher breiter betrachten? Zentrale Leitung verliert an Einfluss, große Unternehmen kommen immer weniger vor, und die bestehenden Unternehmen werden kleiner, was Festpersonal betrifft.
Was bedeutet das konkret? Auch Direktkontakte-jetzt-in diesem Moment- mit dem Fokus aufs Überleben werden immer wichtiger. Die Intensität und Tempo, womit neue Trends und neue Kontexte entstehen, werden mit der Zeit nur höher. Diese Intensität bringt in Kombination mit wachsendem Unsicherheitsgefühl bei Bürgern und Unternehmen viel Aufmerksamkeit für die Arterhaltung mit. Etwas, was heute immer höher auf der politischen Agenda steht. Gleichzeitig nehmen Selbststeuerung und Eigenverantwortung zu. Arbeitnehmer wird Arbeitsunternehmer. Ein neues Wort und eine neue Realität, die den Sprung vom Neologismus in die mentale Kategorie sehr schnell schafft.
Das Leben mit Unsicherheiten wird ein Teil unseres Wirtschaftslebens: Festanstellungen werden immer seltener vorkommen, und dies nicht nur infolge der Schuldenkrise. Flexibilität wird die neue Norm. Jeden Tag neue Topleistungen zeigen: wie im Fußballspiel.
Arbeitsunternehmer müssen altmodisch gut in ihrem Fach sein und das auch bleiben. Arbeitsmarkt 2.0 wird damit eine neue Realität, das Zeitalter der Supertemps bricht an: gut ausgebildete Professionals, die keine Festanstellungen haben, einander über (Sociale)Netzwerke finden und so auch Kontakte knüpfen und Aufträge als Kompensationsgeschäft bekommen. Die je typisch amerikanische Frage : What do you do for a living? wird hier in Kürze auch mit einem ähnlichen Gefühlswert gestellt.
Die Fähigkeit der Unternehmen und Konsumenten, any place, any time zu reagieren wird also ein Schlüsselfaktor. Pläne sind gut. Aber Geld muss jetzt verdient werden. B2C wird C2B wird C2C, und vielerorts beobachten wir die Umkehrung der Wertschöpfungsketten, wobei die Bürger immer mehr als sichtbare Konsumenten gegenüber einer transparenten Organisation auftreten. In der Musikwelt hat sich diese Veränderung schon vollzogen. Der Musiker veranstaltet heute keine Konzerte mehr, um CDs zu verkaufen. Er verkauft CDs um Konzertsäle zu füllen, wobei einige Tracks als freie Downloads dem ungesättigten Konsumenten zur Verfügung gestellt werden. RRR ( Review, Ranking und Reputation) werden auf allen Märkten Schlüsselfaktoren.
Das Internet verändert auch die Weise, worauf wir unsere Arbeit organisieren. Enterprise 2.0 setzt sich durch. Dadurch wird Schedule Push – Strategie und damit eine hierarchische Struktur, die die vertritt, in einem Teil der Betriebsführung überflüssig. Das würde also die Überflüssigkeit der Kontrolle bedeuten, die traditionell gebraucht wird, um Ressourcen, Aufgaben, Kundenanfragen, Lieferung und Dienstleistungen aufeinander abzustimmen. Hierarchische Strukturen sind zu teuer geworden, um unverändert bleiben zu können, und die Weise, worauf sie funktionieren, ist in vielen Fällen nicht mehr nötig.
In den kommenden 5 Jahren würde das einen tiefgreifenden Einfluss auf Großunternehmen haben. In der Hierarchie werden zahlreiche Jobs verschwinden, und die Jobs, die bleiben, werden auf freiberuflicher Basis von Supertemps getan. Statt mehr Supply Chain Management mit Unterstützung vom ERP –Software werden Mitarbeiter und Kunden selbst Projektmanager ihrer eigenen Arbeit.
Großunternehmen müssten sich für die Kunden wie ein Kleinunternehmen anfühlen. Auf diese Weise kann ein Großunternehmen die Vorteile eines Großunternehmens mit denen einer Kleinfirma kombinieren und das beim Branding betonen.
Was wäre also die wichtigste Veränderung, womit Unternehmen herausgefordert werden, um ein zukunftssicheres Unternehmen des 21. Jahrhunderts zu werden? Während Zusammenarbeit im 20.Jahrhundert im Grunde genommen eine unpersönliche vom Management getriebene Kalkulation war (Scientific Management), wird sie sich zu Bottom-up- Entscheidung der Endverbraucher entwickeln (end-user), getrieben vor allem vom Sinn und Nutzen. Lean and Mean wird immer mehr Lean and Meaningful. Mit wem kann ich zusammenarbeiten? Wem kann ich vertrauen? Wer wird mein Verbündeter? Das werden nämlich die Schlüsselfragen (Denken Sie an RRR!) und damit die Kernkompetenzen im 21. Jahrhundert.
Abb. 1: Von Kontinuität zu Flexibilität
Gleichzeitig erfordert Flexibilität eine Kontinuitätsschicht: wenn man irgendwohin schnell mit Auto kommen will, braucht man gute Autobahnen. Dasselbe gilt auch für Kommunikation, Wasser und Strom, Bildung und andere gesellschaftliche Infrastrukturen. Das ist ein Problem, womit wir sicher in einigen Jahren konfrontiert werden und wofür eine politische Stellungnahme erforderlich wird. Das bringt öffentliche Funktionen, die diese Kontinuität regeln, in den Mittelpunkt der Diskussionen, das betrifft u.a. Energie, Finanzen, Kranken- und Altenpflege sowie für Ausbildung und Sicherheit.
Auf dem Arbeitsmarkt zählen persönliche Anwesenheit und persönliches Branding. Nicht das egoistische „Ich bin besonders“, sondern mehr „Ich bin einzigartig“. Es handelt sich nicht um Schedule Push -Massenlösungen sondern mehr um kundenspezifische Reality Pull – Lӧsungen. Die unpersönliche Top – Down- Planung wird mindestens teilweise von den persönlichen und permanenten Prototyping und Perpetual Beta ersetzt. Mit dem tätigkeitsgetriebenen Arbeitsunternehmer in der Hauptrolle (Ende der Dysempowerment – Epoche !)als Projektleiter der eigenen Talente, wobei wir gezwungen werden, die sicheren Häfen unserer Jobtitels zu verlassen.
Wettbewerb 1.0 wird mit Wettbewerb 2.0 ergänzt: Statt Gewinner und Verlierer in der Vergangenheit wird es Teilen ist das neue Gewinnen in der Zukunft. Diese Transformation vollzieht sich jetzt schon, wenn man bereit und ist, das so zu sehen.
Dadurch werden viele Unternehmen wie zeitlich begrenzte Projekte funktionieren(wie wir diese aus der Filmindustrie kennen),die sich nach dem Ablauf kreativ auflösen. Da entsteht dann ganz logisch die Frage, ob die Generation Y, die Einstein-Generation, die Fähigkeit hat oder entwickeln kann, als unabhängiger Arbeitsunternehmer mit Bewusstseinsgefühl und bei der Abwesenheit einer hierarchischen Organisation entsprechend zu handeln.
Social Media ermöglichen und beschleunigen diese Entwicklung Richtung Social Company, sinnvoller Zukunft sowie Netzwerkorganisation mit individuellem Wert als Grundlage. Das würde Unternehmen und Individuen noch mehr dazu zwingen, sich als Netzwerk zu organisieren und dadurch menschengerichteter zu werden, weil dieser Prozess eine kooperative Haltung befördert (vgl. mit mittelalterlichen Gilden), die operationelle Kosten beträchtlich senken kann. Die heutigen Großunternehmen werden sich in Kürze zu finanziellen Holdings umwandeln, wodurch zukunftssichere Social Companies im 21. Jahrhundert ein eigenes Zeitalter für die Betroffenen kreieren können. Damit werden z.B. deutsche Familienunternehmen ihre Zukunftssicherheit im Vergleich mit Großunternehmen beweisen.
Unternehmen werden öfter als jetzt als natürliche Personen gegründet werden, weil mit Crowdfunding die Rechtsformen GmbH und AG zum Zwecke der Finanzierung nicht mehr erforderlich sind.
Natürlich besteht eine der wichtigsten Herausforderungen, um ein zukunftsfittes Unternehmen des 21. Jahrhunderts mit dem heutigen Wirtschaftsleben zu verbinden und nicht alles aufs Neue zu entdecken. Man kann noch immer viel von den Unternehmen des 20. Jahrhundert lernen.
Und vergiss bitte nicht: wenn Du tust, was Du immer getan hast, bekommst Du, was Du immer bekommen hast. Es gibt noch genug Abenteuer und Herausforderungen in der Welt. Finde diese, genieß sie und lerne davon !