Digitale Trends: Trend Nr.5 Das Ganze ist mehr als Summe seiner Teile
Willst du dich am Ganzen erquicken,
So musst du das Ganze im Kleinsten erblicken – J.W. von Goethe
In dieser Blogs-Serie finden Sie die Trends, wie ich die bereits in 2004 formuliert und seitdem kontinuierlich beobachtet und analysiert habe.
Organisationen haben Existenzrecht , weil sie Zusammenarbeit billiger als der Markt organisieren können. Diese einfachen Angaben liegen eigentlich allen Analysen in Bezug auf den Einfluss des Internets zugrunde: das Internet reduziert die Übertragungskosten. Interne Koordinationskosten müssten also auch gesenkt werden, wobei das Überleben der jeweiligen Organisation aufs Spiel gesetzt ist. Diesen Prozess können wir neben zahlreichen Sparprogrammen zur Zeit bei vielen Großunternehmen beobachten. Der Prozess kann nicht mehr rückgängig gemacht werden und infolgedessen werden die meisten Großunternehmen andere Formen annehmen müssen, Formen, die auf P2P- Crowdsourcing und Selbststeuerung basiert sind. Hier finden Sie den Trend 5.
Trend 5: Inergy: das Ganze ist mehr als Summe seiner Teile
Einer der faszinierenden Aspekte des Internets besteht darin, dass wir keine koordinierende Kraft mehr nötig haben, um einander zu finden und zusammen eine Community der Gleichgesinnten zu bilden.
Das Internet übernimmt hier immer mehr die Rolle der Hierarchien und die damit verbundene Kontrolle von oben. Nicht nur Entflechtungen, Outsourcing sondern auch neue Formen der kurzzyklischen Kapazitätsplanung sind die direkten Konsequenzen dieses Prozesses. Die Verdampfung der Hierarchie zugunsten der virtuellen Community ist ein deutlich sichtbarer und dynamischer Prozess. Es kann sich dabei z.B. um eine Distributionsstrategie handeln: 100 Menschen, die morgen von Amsterdam nach New York fliegen und dafür zusammen ohne Vermittlung eines Reiseveranstalters ein Flugzeug regeln. Der Charterflug ist eine zeitlich begrenzte Community und stellt einen kundenfreundlichen Nachfolger des Linienfluges dar. Es kann sich aber auch um eine Planungsaktivität innerhalb eines leistungsorientierten Unternehmens handeln : die Kunden, die bei Störungen direkt und ohne Vermittlung des Back Offices den Techniker anrufen können.
Das könnte z.B. um eine nachfragegesteuerte Ausbildung gehen. Es könnte auch die Steuerung des Innovationsprozesses betreffen: Software-Entwickler, die einander übers Internet finden und zusammen Software entwickeln, wie es ursprünglich mit Linux passierte. Virtuelle Communities gibt es eigentlich schon seit Beginn der Massenmedienzeiten. Eine seit längerer Zeit existierende Community ist die Community der bekannten Niederländer oder bekannten Deutschen, wobei jede davon eigene Lebensfähigkeit mit schlauen PR-Strategien garantiert. Fernsehkanäle und Zeitschriftenleser sind auf diese Weisen an der Wertschöpfung beteiligt . Das Internet kreiert aber viel mehr Communities verschiedener Art : Reisende, Techniker, Software-Entwickler, Studenten, Aktionäre usw.
Andere Inergy- Beispiele finden wir in vielen neuen Branchen. Ich nenne hier nur einige davon. Ein typisches Inergy-Beispiel wäre eine Kombination der Branchenkollegen, verwandten Kommunikationsmedien und Auszeichnungen, die einander verliehen werden. Das ist Inergy, gerichtet auf Sichtbarkeit und Kontinuität. Ich denke hier, dass der Spinoza-Preis der Niederländischen Organisation für Wissenschaftsstudien (NWO) für Universitäten, Kommunikationsmedien und Wissenschaftler mehr oder weniger gleichzeitig mit dem Internet gekommen ist. Idols-Show ist etwas anders. Dem liegt aber ein ähnlicher Mechanismus zugrunde.
Ihr Unternehmen existiert eigentlich auch als Community. Es ist eine informelle Organisation, die innerhalb der Niederlande oder als Teil eines noch umfangreicheren Verbandes existiert. Wenn Sie „ etwas mit dem E-Business“ wollen und eines der Mitglieder erreichen können, haben Sie Zugang zur operationellen Kraft und Kreativität der Community in vollem Masse. Die guten Nachrichten: in der digitalen Welt ist die Kette nicht so stark wie das schwächste Glied; sie ist genauso stark wie das stärkste Glied.
Und dafür braucht man nur eine beschränkte Organisationsstruktur, eigentlich nur die Website. Sollte das Unternehmen tatsächlich diese Community als ein regulierendes System einsetzen, könnte es viele Gemeinkosten sparen und aktuelle Kenntnisse und Erfahrungen in vollem Umfang für die Geschäfte einsetzen.
Wenn ein Unternehmen die Entscheidung trifft, eine von der Community angetriebene Software-Produktion zu beginnen oder wenn eine Hochschule ein Unterrichtsprogramm auf diese Weise entwickelt, bringt es auch andere Vorteile mit. Der wichtigste Vorteil ist, dass es für Fachleute äußerst motivierend ist, ein Kompliment und Anerkennung von Kollegen zu bekommen und zur Community zugelassen zu werden. (IBM fand die Abweisung seines ersten Beitrages zu Linux enttäuschend. Das ist danach auch nicht mehr vorgekommen).
Das Peer—to-Peer-Review als Kernwert für eine auf der Community basierten Produktion ist die beste Qualitätskontrolle und garantiert die besten Resultate. Außerdem finden die Fachleute selbst das herausfordernd. Wie funktioniert das? Eine Nachfrage aus der Community bedeutet automatisch, dass man Ihnen Aufträge anbietet, wofür Sie als wahrer Fachmann/wahre Fachfrau anerkannt werden. Diese Arbeitsweise verstärkt Ihre Kraft als Professional. Und das kreiert den Inergy-Effekt. Das bedeutet ganz einfach, dass man auf seinem Gebiet ein Ass sein muss. Anders wendet man sich nicht an Sie, und Sie werden nicht zur Community zugelassen. Sie müssen mit anderen Worten als Fachmann/-frau bekannt sein und als Lehrling eigene Kapazitäten entfalten, um einen Platz in der Community zu verdienen. Es ist egal, wie breit oder eng Ihr Kompetenzprofil ist. Wert findet seinen Weg überall. Ohne Wert gibt es keine Gilde und keine Bitte um Beiträge. Initiativen auf diesem Gebiet sind z.B. LinkedIn oder ein Open Business Club.
Das Internet führt also über Communities als Zwischenlandung zur Realität, dass man wieder altmodisch gut in seinem Fach sein muss: back to business.
Den Unternehmen, die den Mut haben, diesen Back- to –Business- Schritt zu wagen bieten sich einige interessante Perspektiven. Erstens liefert das eine beträchtliche Kostensenkung. Ein Teil der Gemeinkosten ist damit überflüssig geworden. Zweitens organisiert das Unternehmen sich selbst näher zu den eigenen Kunden, zu den Studenten usw., je nachdem was für ein Unternehmen oder eine Organisation Sie sind. Der Direktkontakt mit der Community bringt im Unternehmen endlich die Kunden ans Wort. Das Unternehmen liefert also höheren Wert für die Kunden und die Kunden fürs Unternehmen. Kunden rein, Gemeinkosten raus. Erkennen Sie das?