Schauen um zu sehen, sehen um zu verstehen…
Wenn man ein Seher ist, braucht man kein Beobachter zu sein- M von Ebner-Eschenbach
Man fragt mich regelmäßig, wie meine Einsichten und Ideen geboren werden. Das wird also ein anderes Blog im Vergleich mit den vorigen. Dieses geht mehr über mich sowie meine Einsichten. Ist also eine methodologische Verantwortung.
Um zu beginnen, muss ich zugeben, nicht mehr viel zu lesen. Keine Bücher, keine Artikel. Was ich im Gegenteil tue ist vorurteilslos um mich herum schauen, Gespräche führen und vielerorts, wo Menschen zusammenkommen, gut zuhören. Ich höre den Menschen gerne zu. Außerdem bin ich in mehreren Wissenschaften ausgebildet und bringe auch nötige Lebenserfahrungen mit.
Meine Kernfrage ist: welchen Einfluss üben das Internet und die Social Media auf unser Leben und unsere Arbeit aus. Es handelt sich hier sowohl um Politik, Ausbildung, persönliche Entwicklung, Identitätsformung als auch um Geschäftsmodelle, Marketing, IT, Innovation, Organisation und Finanzen. Mit anderen Worten alles kommt hier vorbei. Durch die Forschungsfrage so zu formulieren, wird eine von Presencing gesteuerte Fragestellung in einem breiten Kontext eine ganz natürliche Haltung, was Entstehung der neuen Kombinationen und neuen Perspektiven für die Forschung befördert.
Was ich vor allem suche ist interne Logik in was ich sehe. Warum sind die Entwicklungen so, wie sie sind, und nicht anders. Wer hätte Interesse daran? Wie sehen Muster aus?
Vom Standpunkt der internen Logik aus komme ich zu Taxonomien, einfachen Mustern, die das System von zahlreichen Beobachtungen systematisieren und organisieren. Müssen muss nicht mehr (1996), Hardware-Lösungen werden immer öfter Software-Lösungen (2002) oder Virtuell gegen Physisch (2000) sind Beispiele dafür.
Metaphern können das Bild oft viel besser verdeutlichen. Zum Beispiel die Metapher: „Zurück zum Mittelalter“, um anderen zu zeigen, was ich um mich herum sehe. Wenn Sie z.B. auf den Klavierspieler Wibi Soerjadi als Internetunternehmer schauen, dann begreifen Sie, wie das Internet Geschäftsmodelle verändert.
Um bestimmte Muster zu sehen und zu erkennen setze ich Consilience ein. Das ist eine Fähigkeit, Muster aus einem Feld in einem anderen als brauchbar zu erkennen und zu gebrauchen. Man kann z.B. die Strömungslehre aus der Physik bei den Berechnungen der Staus im Verkehr gebrauchen. Wenn man das liest, begreift man gleich, dass es kann. Das kommt, weil die interne Logik des Problems dieselbe ist. In den Artikeln und Beiträgen zu den beiden Themen wird man dann ähnliche Abbildungen und Kernfiguren entgegenkommen. Einheit in der Vielseitigkeit .
Natürlich sind die Muster ziemlich abstrakt und bilden eigentlich eine Vision, oder wenn Sie wollen, eine Hypothese. Darum spreche ich oft mit Menschen und suche dabei nach konkreten irdischen Formen, wo man ähnliche Muster erkennt. So habe ich noch in 2000 über Crowdsourcing und Crowdfunding gesprochen ( die Wörter gab es damals übrigens noch nicht) in 2004 habe ich den Begriff „Moneyskype“ formuliert, den Namen, den ich Crowdfunding damals gegeben habe, was später übers Internet konkrete Formen angenommen hat.
Wiederholung des Gelernten und Consilience bringen uns einen Schritt weiter: Muster in neuen Kontexten erkennen zu können. Es hat in bedeutendem Maße mit Kreativität, Neugierigkeit, Selbstvertrauen und Mut zu tun, um nach neuen Kontexten zu suchen. Und außerdem mit Bereitschaft, um die Verbindung mit der eigenen Person herzustellen. Jeder hat die Chance, am wissenschaftlichen Diskurs teil zu nehmen. Die entdeckten Muster sind offen für allerlei Diskussionen. Wissenschaft wird ein regelgesteuertes Diskussionsfeld.
Den Schritt vom abstrakten Muster zu einer konkreten irdischen Form nenne ich die Jakobsleiter. Die Leiter, ein Bild aus dem Alten Testament, wies auf den Himmel und blieb doch auf dem Grund stehen .
Was ich damit sagen möchte, ist, dass in diesem Moment noch keine tatsächliche Innovation sichtbar ist und das reine Sehen der Tatsachen als solcher nichts bringt. Die Tatsachen gibt es zwar schon, sie werden aber total anders gedeutet, falsch begriffen oder sogar überhaupt nicht erkannt. Die Wissenschaft kann mit diesen Einsichten auch nichts anfangen. Es gibt nämlich weder Referenzen noch das empirische Material. Es gibt nur die interne Logik der Bewegung, die oft von der neuen Technologie gesteuert wird. Sehr oft handelt es sich um das Schauen mit den Augen offen und Begreifen des Gesehenen.
Das Resultat dessen ist, dass meine Bücher und Artikel nicht in die existierenden Normen passen und darum in manchen Zeitschriften nicht veröffentlicht werden. In unserem Lehrstuhl Digital World arbeiten wir als Team von Professionals zusammen, wobei wir einander herausfordern, mal aus einer anderen Perspektive zu schauen, und suchen nach praktischen Formen der früher beschriebenen Muster. Das resultiert in zahlreichen Artikeln und herausfordernden Blogs. Durch partizipierende Zusammenarbeit in einer Netzwerkstruktur verfügt jeder Forscher des Teams innerhalb der Arbeitsgruppe über Kenntnisse und Einsichten, die Kern der künftigen Modellen werden könnten. Das ist gleichzeitig eine Kontinuitätsgarantie für neue Einsichten. Daneben entsteht das sogenannte Body of Knowledge: Wir stellen Weichen und sind dadurch intern und extern erkennbar.
Unternehmen, die wir beraten, erfahren einen enormen Zeitgewinn und finanzielle Vorteile, weil wir durch eine konsistente Denkweise frühzeitig angeben können, wo es tatsächlich hingeht.
Im Ausbildungsprozess bin ich eine Art menschlicher internetähnlicher Browser. Wenn Sie am Computer sitzen und weiter nichts tun, wird auch nichts passieren. Dasselbe beobachte ich auch in meinen Vorlesungen: wenn Studenten eine passive Haltung einnehmen und keine Fragen stellen, wird auch nichts passieren. Fragensteuerung und Fragenstellung sind eine Norm geworden. Das würde für unser Ausbildungssystem eine Art Freiluftpodium bedeuten, wo jedermann seine eigene Ausbildung nach Maß kreieren könnte. Das ist ein Ziel im nachfragegesteuerten Ausbildungssystem.