Die Wissenschaft hat keine moralische Dimension. Sie ist wie ein Messer. Wenn man es einem Chirurgen und einem Koch gibt, gebraucht es jeder auf seine Weise. W. von Braun
Alle Informationen, egal aus welchen Quellen sie stammen, können heutzutage digitalisiert, gemessen, transportiert und endlos kopiert werden. Das ist die Realität der vom Web angetriebenen Digitalwelt.
Unternehmen versuchen sich dieser Technologie anzupassen, und suchen kontinuierlich nach neuen Verdienstmöglichkeiten. Sie definieren ihr Geschäftsfeld neu und passen die Strategie und Organisation des Unternehmens dementsprechend an. Sie und ich müssen u.a. als Mitglieder von verschiedenen physischen und virtuellen Communities auch unseren eigenen Weg in der Digitalwelt finden. Heutzutage werden sogar Personalfeste uebers Web organisiert. Beim Staat und bei den Gesundheitsdiensten sehen wir dasselbe. Schrittweise werden die Web-Möglichkeiten auf unterschiedlichen Niveaus implementiert. Die Digitalwelt erreicht Staatseinrichtung, Strafrechtpflege, ist sichtbar in der Arbeitsweise der Polizei sowie in der Weise, wie der Staat mit Ihnen als Bürger mithilfe der Bürger-Service-Nummer kommuniziert.
Immer wieder kommt die Frage zurück, was im Web eigentlich erlaubt ist und was nicht. Wollen Sie z.B. dass alle Gesundheitsdienste sehen können, wann Sie sich sterilisieren ließen? Wenn man nicht aufpasst, kann es mit dem elektronischen Patientendossier soweit kommen. Der Einfluss der Digitalisierung sowie deren Folgen auf alles werden viel tiefgreifender sein, als wir uns jetzt vorstellen können. Der Einfluss reicht weiter als das Wirtschaftsleben, die Weise, wie Märkte und Konsumenten segmentiert werden, wie wir Geschäfte abwickeln und wie finanzielle Märkte organisiert werden sondern bezieht sich auch auf die Weise, wie wir als Menschen einander heute finden können. Es vollzieht sich wirklich ein unausweichliches Makeover auf dem politischen und wirtschaftlichen Gebiet.
Wo der Staat, das Wirtschaftsleben und die Individuen sich anpassen, taucht logisch die Frage auf, wie die Anpassungen für das wissenschaftliche Feld aussehen würden? Was macht das Web mit der Wissenschaft, mit dem Begriff „wissenschaftliche Erkenntnis“ und der Organisation der Wissenschaft? Wissenschaft 2.0 liefert bei Google noch keine Suchergebnisse. Wird heutzutage überhaupt die Frage nach der Wissenschaft 2.0 gestellt? Kann man vielleicht schon Umrisse einer Antwort sehen?
Ein totales Makeover der Wissenschaft, die sogenannte Wissenschaft 2.0, würde in erster Linie Aufmerksamkeit für Normen und Werte in der Wissenschaft auf die Tagesordnung bringen. Man weiß es in der Zwischenzeit: ohne Wurzeln wächst nichts. Was sind unsere Werte als Wissenschaftler? Hat die Vernetzung unserer Welt Folgen für die Wertorientierung, mit Internet als Träger einer neuen Kollektivintelligenz? Wie steht es mit dem ewig dauernden Spannungsfeld zwischen Macht und Wissenschaft in der Digitalwelt? Oder konkreter formuliert: Kommt die Wissenschaft auch in“ Aufrufkultur“ zurecht, auch wenn es hier anders genannt wird und unter Subventionen, Ernennungen und Erteilungen verhüllt ist. Wie lange herrscht noch die Kultur einer Dissertation, die in der Wirklichkeit nur kontrolliert, ob Sie das „Handwerk“ eines Wissenschaftlers beherrschen jedoch mit allen Beweisen, die noch aus der Zeit vor Web-Entwicklung stammen. Steht in der heutigen Wissenschaft kein Inhalt mehr im Mittelpunkt, und werden mit der Siegel „wissenschaftstauglich “ sozial erwünschte und schöne Inhalte geschickt, wodurch eigentlich sehr viele Möglichkeiten für die konventionelle Ideologie bleiben. Haben Sie je eine Dissertation gesehen, worin die Gedanken des betreuenden Professors zugrunde gerichtet werden?
Wie lange zeigen wir uns zufrieden mit Erklärungen, was das Zentrale Planbüro genau tut? Was ist wissenschaftlich an ihren Prognosen? Für mich persönlich ist das ein Black Box. Keine Spuren der Transparenz auf jeden Fall. Wenn man aber auf den gesellschaftlichen Einfluss ihrer Prognosen schaut, wäre das eigentlich nicht möglich.
Man sieht zurzeit in den Niederlanden, dass eine Diskussion über die Wissenschaft 2.0 beginnt, wobei neben objektiver Erkenntnis aus dem rationalen wissenschaftlichen Weltbild auch subjektive Erkenntnis sowie unsere innere Welt und Intuition in die wissenschaftliche Methodologie unserer Weltanschauung integriert werden. Machen Sie mit? Wie steht es mit Ihrem persönlichen Engagement?
Alle gebrauchten wissenschaftlichen Konventionen kommen aus der Zeit noch vor dem Web. Wie zeit- und zukunftssicher sind sie eigentlich? Müssen sie vielleicht revidiert werden? Haben wir nun Konventionen, die aus der Zeit und Kultur der Druckmedien stammen, wobei wir tun als ob es sich hier um zeitlose Wissenschaftsprinzipien handeln würde. Es gibt neue wissenschaftliche Einsichten. „Quantified Self“ könnte hier als gutes Beispiel genannt werden. Die Methode ist darauf gerichtet, bestimmte Muster z.B. um das Thema „Lebensmittel und Gesundheit“ in der enormen Menge der im Internet vorhandenen Informationen zu entdecken.
Ich hoffe, dass individuelle Kompetenzen sowie Ehrlichkeit und Integrität in Bezug auf eigene Möglichkeiten und die Kommunikation darüber in hohem Masse zum Erfolg beitragen werden. Authentizität und Glaubwürdigkeit sind für mich persönlich in der Wissenschaft ausschlaggebend. Wird es durch die Web-Entwicklung zu beträchtlichen Verschiebungen in den wissenschaftlichen Einsichten kommen? Welchen Einfluss wird das Web konkret auf die Wissenschaft ausüben? Kommen alle Veränderungen wie eine riesengroße Welle über uns, oder sind wir gut vorbereitet und werden auf den Wellen surfen und selbst den eigenen Kurs bestimmen? Gibt es sie denn, die Wissenschaft 2.0? Und wenn ja, wie sieht sie denn aus? Ich hoffe, dass die Wissenschaftler des 21. Jahrhunderts sie auf jeden Fall humaner machen können.
Sind Sie bereit, um ein Gespräch darüber zu beginnen? Wer ist der nächste?
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Referenz:
Wie neugierig muss Wissenschaft sein? (in) Kultur und Management,1504, Nr 100, april 2015, Seite 49
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