Der Storyteller (2001)
Traum oder Zukunft ?
Diese Kolumne wurde 2001 geschrieben und in der Zeitschrift Management & Informatie (Niederlande) veröffentlicht (04/2001)http://www.fransvanderreep.com/wp-content/uploads/2012/07/DeVerhalenverteller-origineel.pdf
Überall geht ein früheres Ahnen dem späteren Wissen voraus- A. von Humboldt
Gute Storyteller sind Menschen, die die Sinne ihres Publikums fesseln können. Nicht nur durch die Art und Weise, wie sie ihre Geschichten erzählen, sondern auch weil sie miteinander schneibar nicht verbundene Aktualitäten und Themen ‚“ unter die Haut gehend“ erfahrbar in eine bestimmte Regularität zurückbringen können. Anschließend weben sie eine Geschichte daran. Dadurch werden die Zuhörer in die Geschichte eingebunden und begreifen besser, warum alles tatsächlich passiert.
Erfolgreiche Unternehmensleiter sind auch Storyteller. Eine angenehme Nebensache ist dabei, dass sie damit strategische Perspektiven kreieren: Ansichten generieren Aussichten. Ob sie auch Recht haben, ist eher irrelevant. Die Geschichte bestimmt die Denkweise, zwingt den Zuhörer eigenständig mitzudenken, konkrete Business Szenarien zu formulieren und ermöglicht es den Unternehmen, wichtige Entwicklungen und Muster schneller zu visualisieren.
Ich möchte hier auch mal probieren, eine visionäre Geschichte zu erzählen. Darin werden Straβengüterverkehr, Luftfahrt, Heimarbeit sowie TNT/Post miteinander in Verbindung gebracht. Zuerst einige Tatsachen: in den Niederlanden zeigen Unfälle mit umgekippten LKWs eine steigende Linie, Beladungsgrad der Flugzeuge nimmt ab; Airbus sieht Zukunft in größeren Flugzeugen als Boeing und TNT Post stellt fest, dass Anzahl Glückwunschkarten trotz Emails doch nicht so drastisch sinkt.
Mal sehen, ob daraus eine zusammenhängende Geschichte gemacht werden kann, wobei die Tatsachen logisch miteinander verflochten werden, und woraus Aufschluss über die kommenden Jahre destilliert werden kann.
Ich nehme Sie zuerst in die Geschichte über die Gruppenkarte mit, die Nederlandse Spoorwegen (niederländische Eisenbahngesellschaft-Anm. des Übers.) früher angeboten haben, ein Basisbeispiel einer Einkaufskombination, die einer Gruppe Reisender billigeres Reisen auf der gleichen Strecke ermöglicht. Stellen Sie es vor, Sie möchten morgen von Amsterdam nach Groningen reisen. Sie können natürlich immer zum Bahnhofsschalter gehen. Sie könnten es auch mal anders probieren und im Internet andere Menschen suchen, die morgen die gleiche Strecke wie Sie ablegen müssen, um zusammen entweder einen Bus zu mieten oder mit einer Gruppenkarte zu reisen. Das macht die Reise für alle Beteiligten etwas billiger. Wichtig ist, dass die Bildung einer Gemeinschaft mit ähnlichen Interessen dank Internet möglich geworden ist. Mit Internet ist das eine Frage von einigen Minuten.
Weil es so einfach ist, werden Menschen mit gemeinsamen Interessen einander immer häufiger im Internet finden. Sie werden Einkaufskombinationen bilden, um ein für die Gruppe interessantes Maßwerk auf dem Markt zu erzwingen. Ein Beispiel dafür ist www.unitedconsumers.nl, mit zurzeit 180.000 Mitgliedern, die zusammen billiger (cleverer) tanken: Internet bringt bares Geld zurück!
Wie sieht man die Geschichte im Güterverkehr zurück? Hier wird von Gruppen Just-in-Time-Maßwerk-Verkehr eingekauft mit als Resultat Point-to-Point-Verkehr. Point-to-Point ist eigentlich nichts anders als Maßwerk. Ich werde diesen Punkt in Bezug auf die Luftfahrt und Straβengüterverkehr näher erläutern und beginne mit der Luftfahrt.
Ein Charter ist nichts anderes als eine Community, eine Art Gruppenkarte in der Luftfahrt, die uns Point-to-Point befördert. Hier liegen die Chancen für die Charterfluggesellschaften, um ihren Kunden eine Chance zu geben, durch ein Community-Bildung ihre eigene Point-to-Point- Beförderung zu regeln. Der Flug verändert sich damit mehr in Air-Dating. Eine Gruppenkarte auf der Internet-Flugdatingsite scheint mehr als logisch zu sein. Ich prophezeie, dass es innerhalb von 3 Jahren passiert. Und dass die Luftfahrt eine communitygesteuerte Vercharterung mitmacht. Ist sicher eine gewöhnungsbedürftig: Charterflüge sind Maßwerk , Linienflüge- Massengüter. Eine vielversprechende Zukunft für Easyjets und Ryanairs und andere Billigfluggesellschaften, die das tatsächlich- und wie ich hoffe auch auf eine sichere Weise-realisieren können.
Für die Luftfahrtgesellschaften wird es also interessanter, um die Reisenden, die sich als Gruppe organisieren, direkt zu ihrer Bestimmung statt über die Naben (Hubs) zu befördern: ein modernes Wort für Stapelplatz. Das würde natürlich direkte Konsequenzen für Drehkreuz-Strategien der Flughäfen bedeuten.
Um diese Strategie erfolgreich zu verfolgen, braucht man als Fluggesellschaft Massen für die benötigte operationelle Schlagkraft beim Point-to-Point-Verkehr. Natürlich ist diese Strategie einfacher mit kleineren Flugzeugen zu realisieren. Größere Flugzeuge würden dann einen strukturell niedrigeren Beladungs- und Besatzungsgrad aufweisen und damit auf vielen Routen zu teuer sein. Sollten die unterschiedlichen Zukunftspläne von Boeing (kleinere Flugzeuge) und Airbus (noch größere Flugzeuge) damit etwas zu tun haben? In der Zwischenzeit sind die ersten supersonischen Business-Jets in der Produktion.
Straβengüterverkehr lässt auch ähnliche Tendenzen sehen. Unfälle mit LKWs zeigen einen zunehmenden Trend. Ich vermute, dass es durch den Einsatz von kleineren und zu schwer beladenen Wagen verursacht wird (Mehrzweckfahrzeuge!). In den kommenden Jahren werden verhältnismäßig mehr kleinere LKWs kommen, die mehr Lieferungen nach dem Point-to-Point-Konzept organisieren.
Für Auktionen, Communities , die viel Straβengütertransport generieren, könnten wir z.B. in diesem Szenario erwarten, dass alle Aktivitäten im Internet mit Einsatz von Webcams und mit Zertifizierung von betroffenen Herstellern abgewickelt werden.
Eine große Herausforderung, womit Unternehmen konfrontiert werden, besteht darin, die potentiellen Gruppeninteressen ihrer Kunden zu identifizieren, diese in einer schlauen Marketingstrategie als eine Community zu operationalisieren und als Form von CRM in die Marketing- und Distributionsstrategie innerhalb der Betriebsprozesse zu implementieren.
Das Interessanteste am Auktionsbeispiel finde ich selbst, dass es ganz gut verdeutlicht, warum Internet physische Mobilität nicht verkleinert sondern vergrößert. Dieses Paradox : virtuell gegen physisch sieht man zum Beispiel bei der Heimarbeit, auch einer Art Maßwerk. Das
scheint Kilometerzahl- und damit also die Mobilität- nicht zu verkleinern sondern im Gegenteilt zu vergrößern. Durch die steigende Popularität der Heimarbeit sieht man oft, dass die Arbeitsnehmer nicht immer in der Nähe ihres Arbeitsplatzes wohnen. Dadurch kommt er zwar weniger zur Arbeit, legt aber tatsächlich mehr Kilometer zurück: Internet macht Maßwerk Wohnen möglich.
Und das bringt mich zum letzten Verbindungselement in meiner Geschichte; virtuell gegen physisch, Je mehr Internet desto mehr alte Ökonomie durch Zunahme in Fragen Mobilität und Maßwerk. Je mehr tastbare Sachen auf unserem Tisch und in unserem Besitz, desto mehr Büros werden gebaut ; je mehr PCs installiert werden, desto mehr Papier verbrauchen wir ; je mehr CDs Sie verkaufen, desto mehr Publikum besucht Ihr Konzert: ein CD ist sozusagen ein virtueller Träger des Konzerts, eines physischen Events. Wenn Sie einmal diese Verbindungslinien sehen, dann sehen und erkennen Sie es überall!
So passierte es auch, dass das Internet als Motor der alten Ökonomie TNT/Post bei Glückwunschkarten einen guten Dienst erwiesen hat. Es begann einmal mit einer Email . Danach ist eine Ecard dazu gekommen. Und zum Schluss sehnen wir uns nach einer mit der Hand geschriebenen Weihnachtskarte an der Wand. Und das sehen wir nächstes Jahr sicher zurück. Die Zeit zeigt, ob es auch eine gute Geschichte ist : keine Zukunft ohne Träume!
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Reference: Verhalenverteller, Management&Informatie, 2001/4, p. 54